Mut zum Irrtum – 1: Was ist eigentlich neu am Fehlermachen?

Kurz erklärt, warum es im Digitalen Zeitalter auf eine neue, agile Fehlerkultur ankommt

Teil 1: nur kompliziert oder schon komplex?

In jedem Vortrag zum Thema Digitalisierung, in jedem Fachbeitrag zum Thema Industrie 4.0, aus der Start-up Szene und von Beratern sowieso: Überall werden wir aufgefordert, endlich mehr Fehler zu machen. Wirtschaftsprofis wie Heiner Thorborg sagen: In Zeiten des neuen industriellen Umbruchs seien Strategien nicht mehr wie früher an Zielen ausrichtbar. Im nebligen Feld der Komplexität sehe man maximal noch die Hand vor Augen, aber keine erstrebenswerten Ziele. Es helfe also nur ein „Stochern“ im Ungewissen, einen Schritt nach dem anderen zu machen, mit Versuch und Irrtum und wieder zurück. Die Prozessoptimierer in der Industrie erklären: Fehler werden sowieso gemacht, das Schlimme an ihnen seien die Vertuschungen. Denn richtig teuer seien die Fehler, die übertüncht, zu spät entdeckt und für die nicht sofort Abhilfe geschaffen würde. Und die Start-up-Szene sagt: Das Minimal Viable Product (MVP) – die allerkleinste, irgendwie funktionierende Produkteinheit – müsse so schnell wie irgend möglich an dem Markt, um das Kundenfeedback so früh wie möglich in die Produktentwicklung mit einzubeziehen.* Und selbst bei der Entwicklung dieser Mini-Produkte dreht sich alles um Loslaufen, auf die Nase fallen – und wieder zurück auf Los. Auf Deutsch 4.0 heißt das: „Fail, fail again, fail better“.

Was ist daran neu? Über den Sinn und Unsinn des Fehlermachens denkt die Menschheit gefühlt schon immer nach.

„In Fehler führt uns die Flucht vor Fehlern“, mahnte beispielsweise Horaz 65 v. Chr. Und dass eine Organisation, um sich zu verändern und an neue Bedingungen anzupassen, Fehler machen muss, wissen Organisationsentwickler und Berater immerhin schon seit den 70er Jahren.

Neue Komplexität erfordert neuen Mut zum Irrtum

Neu ist, dass durch die Digitalisierung die Umstände so komplex und unvorhersehbar geworden sind, dass keine normale Strategieplanung und Produktentwicklung mehr möglich ist, bei der zuerst ein Ziel definiert wird, um dann den schnellsten und günstigsten Weg dorthin zu suchen. Unter den neuen Bedingungen können immer nur kleine Schritte gemacht werden, um Annahmen möglichst schnell zu überprüfen. Das heißt: Möglichst schnell möglichst viele Fehler machen. Also Wege finden, wie etwas nicht funktioniert oder ein Produkt nicht vom Markt angenommen wird. Und bei diesem Herumstochern findet man eben auch Wege, die funktionieren. Ressourcen und Zeit werden eingespart, weil diese Teilstrecken kurz sind und man nicht zu weit in die falsche Richtung läuft.

„Lean-Startup“ ist der Überbegriff für das systematische schnelle Testen und frühe Scheitern der schlanken Mini-Unternehmen. Mithilfe verschiedener Methoden, z.B. dem Value Proposition Design, mit dem konkrete Kundenbedürfnisse gefunden und der nachhaltige Kundennutzen eines Produktes entwickelt wird, oder dem Business Model Canvas zum Entwickeln eines minimalistischen Geschäftsmodells geht es in das gnadenlose Sparring mit dem Kunden. Es heißt: aus 1.000 Ideen wird ein Geschäftsmodell. Und das ist dann noch lange nicht erfolgreich.

Der ganze Artikel zum Download hier, veröffentlicht im „AKW Journal“, Ausgabe 1/2018,  www.akw.org

Der Kreislauf vom Experimentieren und schnellem Scheitern. Illustration: cc Bryan Mathers

*Vgl. „The Lean Startup” von Eric Ries und Steve Blank

Von |2019-04-01T13:38:05+02:00April 18th, 2018|Blog, Fehlerkultur|0 Kommentare

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